Im Juni wurde von der Luftsportjugend NRW ein ganz besonderes Event organisiert: Das SG 38 fliegen auf der Wasserkuppe. Unsere Vereinskameradin Eileen Köhler war dabei und berichtet von ihrer Erfahrung mit einem Oldtimer zu fliegen. Am Samstag den 15. Juni machte ich mich auf den Weg zur Wasserkuppe. Da die Fahrt knapp 3 Stunden von Menden aus dauert und das Briefing für 9 Uhr angesetzt war, musste ich dementsprechend früh aufstehen.

Die Wasserkuppe ist Hessens höchste Erhebung und mit 950 m über dem Meeresspeigel auch der höchste Berg in der Rhön. Die Rhön ist ein etwa 1500 km² großes Mittelgebirge zwischen Bayern, Hessen und Thüringen. Auf dem Berg, der auch die Wiege des Segelflugs genannt wird, gibt es seit vielen Jahren den Rhönflug Oldtimer Segelflugclub Wasserkuppe e.V., der es sich zur Aufgabe gemacht hat den Ursprung des Segelfluges aufrecht zu erhalten. Mit viel Liebe zum Detail werden von den Vereinsmitgliedern alte und historische Segelflieger restauriert und wieder aufgebaut, sodass diese flugfähig sind.

Auf der Wasserkuppe angekommen merkte ich sehr schnell, warum auf der Anmeldung der Satz „auf der Wasserkuppe ist es immer eine Jacke kälter“ stand. Es wehte ein frischer Wind mit ca. 50 km/h. Insgesamt 30 Teilnehmer hatten sich für das Wochenende auf der Wasserkuppe zusammengefunden, um den Schulgleiter im Gummiseilstart fliegen zu können. Sepp unser Fluglehrer für das Wochenende gab im Briefing eine Einführung, wie das ganze ablaufen würde und was zu beachten ist. Leider mussten wir unsere Starts nach hinten verschieben, da der Wind zu stark war. Die Zeit bis dahin nutzen einige Teilnehmer, um das Museum auf der Wasserkuppe anzusehen. Auch ich habe mir die private Führung durch Sepp nicht entgehen lassen und konnte so viele neue Dinge über unseren Sport lernen. Wer also einmal dort ist, sollte unbedingt einen Abstecher in das Museum machen. Dort sind neben vielen alten Flugzeugen auch interessante Geschichte, historischen Bildern, Prototypen oder Flugzeug Einzelteile ausgestellt.

Um 13 Uhr hatte sich der Wind beruhigt und es ging endlich an den Start. Mit einem Traktor und dem SG im Schlepp fuhren wir zu dem Hang, von wo aus wir starten wollten. Zugegeben so betrachtet ist das Flugzeug eigentlich nur ein Holzstuhl mit ein bisschen Flügel dran, dachte ich bei näherem Hinsehen. Der SG 38 wurde 1938 gebaut und zur Grundausbildung im Fliegen genutzt. Er ist das meistgebaute Schulflugzeug zu dieser Zeit. Das Flugzeug mit rund 10,5 m Spannweite wurde damals eher als Gleitflugzeug bezeichnet und für die einsitzige Anfängerschulung verwendet wurde.

Nach einem „Vorführ“-Start von Sepp ging es auch schon los und die ersten Gummiseil Starts gingen raus. Wie funktioniert so ein Gummiseil Start eigentlich? Zunächst braucht man neben einem Gummiseil etliche Helfer, denn um einen Piloten in die Luft zu bekommen, sind ca. 25 Personen nötig. Das Gummiseil sieht wie ein Y aus. Die Seilmannschaft teilt sich also auf, sodass mindestens 8 Personen pro Seilseite zur Verfügung stehen. Zusätzlich halten 6 Personen das Flugzeug hinten an Seilen fest. Eine Person muss den Flügel gerade halten, eine die Zeit stoppen und notieren und eine gibt die Kommandos. Sind alle startbereit ziehen die sogenannten Gummihunde – also die Seilmannschaft – am Seil, solange bis es straff ist. Danach rennen sie auf Kommando los und bringen das Seil auf Spannung. Die Haltemannschaft hinter dem Flugzeug hält es bis zum Kommando „Los“ fest. Nachdem los lassen der Haltemannschaft fliegt der SG auch schon über die Köpfe der Gummihunde hinweg. Auf dem kurzen Flug überfliegt man die rennende Seilmannschaft, das Seil klingt aus und man landet nach ca. 17 Sekunden Flugzeit wieder. Das wars auch schon. Der Traktor holt einen ab und der nächste ist dran. Wer sich nach meiner Beschreibung immer noch nicht genau etwas darunter vorstellen kann, findet hier ein Video der Luftsportjugend aus dem Jahr 2016.

Ich war genau in der Mitte der 30 Teilnehmer und hatte so etwas Zeit, mich mental darauf vorzubereiten und natürlich etliche Male den Berg runter zu rennen, um meine Mitstreiter in die Luft zu ziehen. Daher kommt wohl auch der Begriff LuftSPORT, denn es ist ziemlich anstrengend immer rauf und runter zu laufen.

Als ich an der Reihe war stieg die Nervosität. Normalerweise liest man Handbücher bevor man ein neues Flugzeugmuster fliegt, das wurde durch ein kurzes „fliegst einfach den Hang runter gell“ ersetzt und schon saß ich festgeschnallt auf dem „Stuhl“. Es ging so wahnsinnig schnell, aber das Gefühl war unbeschreiblich schön. Selbst jetzt beim darüber schreiben bekomme ich Gänsehaut. Das ist einfach pures Fliegen und man spürt die Natur einfach direkt. Ohne Instrumente spürt man, wenn man zu schnell oder zu langsam ist und so fühlten sich meine ersten 17 Sekunden Flugzeit länger an als sie eigentlich waren. Das filigrane Flugzeug macht echt Spaß! Ich hatte eine Kamera dabei und es ist deutlich die Änderung in meinem Gesicht von einem „was mache ich hier eigentlich“ zu einem „boah ist das geil“ Gesichtsausdruck zu erkennen. Wir flogen bis zum Sonnenuntergang, sodass ich den letzten Start an diesem Tag bekam und nochmals ganze 18 Sekunden unterwegs war. Was eine Kulisse bei Sonnenuntergang…

Am nächsten Tag standen wir im Nebel und strömenden Regen auf der Wasserkuppe, sodass ein Fliegen unmöglich erschien. Der Wettergott meinte es nicht gut mit uns und so haben wir gegen Mittag das Event beendet. Zwar war es schade nicht noch einmal in der Luft gewesen zu sein, aber ich habe unheimlich viel Spaß gehabt, viel mitgenommen und vor allem viele tolle Leute kennengelernt. Mal sehen wann sich die Chance noch einmal ergibt diesen Oldtimer fliegen zu dürfen.

Übrigens wir haben in unserem Verein auch einen SG 38 der ab und zu auch per Gummiseil oder F-Schlepp Start sich in die Luft erhebt.

Zurück zum Ursprung des Segelfluges